Herbst

Herbst – Die Gänse werden fetter,
denn es naht der Martinstag.
Müde im Novemberwetter
regnen aus den Bäumen Blätter,
bilden glitschigen Belag
auf den Straßen, was der Städter,
so er Fahrrad fährt, nicht mag.

Stadt zeigt ihre Schmuddelecken,
die im Sommer Grün verbirgt.
Unrat, Stock- und Schimmelflecken
wird der erste Schnee verdecken,
wird die Lebensgeister wecken,
weil das Weiße Wunder wirkt.

Panta rei

So wie es ist,
wird es nicht bleiben.
Die Sonne wird wieder
die Wolken vertreiben.
Der Wind wird die Luft
in der Höhe bewegen.
Und wieder sind Wolken
Und wieder kommt Regen.

Die Welt steht nicht still,
nicht einmal für Sekunden,
die rasch zu Minuten
und Stunden sich runden.
Es schreitet voran
und bewegt sich im Kreise
der Zeiger der Zeit
unaufhaltsam und leise
und dreht sich, und nichts hält ihn an.

Das Sein ist nur Werden
und wieder Vergehen.
Du fließt mit dem Strom,
du glaubst nur zu stehen
er treibt dich, trägt dich mit sich fort.
– Bleiben wird einzig das Wort

Junge Greise

Manche Greise sind nur mäßig weise.
Manche Greise sind kein bisschen schwach.
Manche Greise sind nicht still und leise,
Sondern machen manchmal mächtig Krach.

Greise sind nicht ganz grundsätzlich gütig.
Greise sind auch nicht von Haus aus mild.
Greise gibt es, die sind übermütig,
Werden, wenn es sein muss, richtig wild.

Sind in Wirklichkeit nicht wahre Greise.
Sind aufgrund des Tatendrangs und Schwungs
Auf sehr eigensinnig eigne Weise
Einfach etwas alt geword’ne Jungs!

Kommentar zum „Werther“

Verehrter Herr Werther,
Ich höre, Sie waren
schon in jungen Jahren
als Mann ein begehrter:
Romantisch, gebildet mit Frack.

Doch Lotte, die flotte,
die war ja nun leider
für Sie nicht mehr frei. Der
Verlobte war mächtig auf Zack.

Sie wussten, Sie mussten
auf Lotte verzichten
und konnten’s mitnichten.
Das machte Sie schwer depressiv.

So traurig wie schaurig
ging alles zu Ende.
Durch eigene Hände
hab’n Sie in der Nacht
sich den Garaus gemacht,
als Lotte ganz ahnungslos schlief.

Montagsgedanken des lieben Gottes

Was denkt der liebe Gott am Montagmorgen
Dort oben, hoch in seinem Himmelszelt?
Schaut er mit Freude oder voller Sorgen
Auf die von ihm geschaff’ne schöne Welt?

Ach, Freude kann der Schöpfer kaum empfinden.
Wenn er auf seiner schönen Erde sieht,
Wie Menschen andre Menschen sinnlos schinden,
Ein scharfer Schmerz sein Vaterherz durchzieht.

Er spricht zu sich: Sie müssen ja nicht beten
-Gut wär es zwar, sie täten’s dann und wann-
Doch Menschenwürde so mit Füßen treten,
Das ist unmenschlich, das kommt hart mich an!

Viel Schönheit kam auch der Natur abhanden,
Zerstört vom Menschen, meinem Ebenbild.
Der Mensch macht meine Schöpfung mir zuschanden!
Wär‘ ich nicht Gott und gütig, würd‘ ich wild!

Da denkt der liebe Gott dann wohl im Stillen:
Vielleicht war ich in einem doch zu kühn:
Ich gab den Menschen ihren freien Willen
Und hätt oft Lust, den ihnen zu entziehn,

Instinkte ihnen wie dem Tier zu geben.
Zwar tötet auch ein Tier und ohne Reu’n,
Doch tut es das, um selbst zu überleben,
Nicht um zu quälen –und sich dran zu freu’n!

Tief seufzt der müde Gott, er gibt dem bösen
Treiben auf Erden nicht mehr lange Zeit.
Kein Gott kann von dem Bösen den erlösen,
Der sich nicht selbst zu lösen ist bereit.