Studenten versus Studierende

Liebe Leser,

fühlen Sie sich als Frau von einer solchen Anrede mit gemeint oder möchten Sie als Leserin angesprochen werden?
Falls ja, respektiere ich zwar einerseits Ihren Wunsch, finde aber andererseits die Benutzung männlicher und weiblicher Formen zu lang und schlage vor, Sie „Lesende“ nennen.
Das ist geschlechtsneutral und platzsparend. Außerdem befinden Sie sich damit in bester Gesellschaft, der akademischen nämlich, wo vor einiger Zeit aus Studenten „Studierende“ wurden. Eine Umbenennung nach dem gleichen Schema und aus den gleichen Motiven.
Genau genommen allerdings überflüssig, denn „Studenten“ ist – wie übrigens auch „Leser“ – ein Sammelbegriff, der männliche und weibliche Angehörige der Gruppe einschließt.
Genau genommen auch nicht ganz korrekt, denn die Wörter „Studenten“ und „Studierende“ sind nicht bedeutungsgleich.
Das zum Substantiv gemachte Verb im Partizip Präsens, zu deutsch Verlaufsform, bezeichnet, wie der Name sagt, den Verlauf einer Tätigkeit. „Studierende“ sind folglich Menschen, die gerade etwas studieren, d.h. sich intensiv mit etwas beschäftigen. Das kann ein Fahrplan sein, eine Gebrauchsanweisung oder ein Rezept. Studenten sind sie deshalb noch lange nicht.
Aber die Kenntnis solcher Feinheiten der deutschen Sprache und Grammatik darf wohl nicht mehr vorausgesetzt werden in Kreisen, wo sauberes wissenschaftliches Arbeiten und korrektes Zitieren auch nicht mehr allgemein üblich zu sein scheinen – wie die vielen Plagiatsvorwürfe in neuerer Zeit vermuten lassen!
Wenn es nun aber statt der guten alten „Studenten“ unbedingt „Studierende“ sein sollen nach dem Motto: „das Wort ist zwar schlecht/doch geschlechtergerecht“, dann bitte mit allen Konsequenzen wie Studierende(n)ausweis, Studierende(n)heim, Studierende(n)werk, Studierende(n)gemeinde usw.
Folgerichtig und im Grunde längst überfällig wäre unter diesem Aspekt eine weitere Umbenennung im akademischen Bereich, nämlich die des Doktorgrades für Frauen in Doktorinnengrad (Dr.in). Der Doktor für dieFrau, das geht ja gar nicht! Und warum auch, wo es doch die weibliche Form gibt? „Frau Doktorin“ lautet die gender-korrekte Bezeichnung und Anrede für die promovierte Frau.
Ein zeit- und platzsparender, beide Geschlechter umfassender Begriff ist hier allerdings nicht so wohlfeil wie bei „Studenten“. „Doktierende“ oder „Doktorierende“ wäre vermutlich selbst für hardcore Feministinnen unakzeptabel.
Um da die politisch korrekte Lösung zu finden, bedarf es dringend einer Doktorinnenarbeit!